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Jetzt befindet sich Deutschland also im zweiten „harten“ Lockdown.

War dieser Schritt notwendig?

Angesichts der hohen Anzahl von Neuinfektionen, viel mehr aber noch aufgrund der – auch in der Region als kritisch zu erachtenden – Auslastung der Krankenhäuser musste gehandelt werden und es lagen hier nicht wirklich mehr viele Optionen auf dem Tisch.

Hätte der Lockdown vermieden werden können?

Diese Frage ist sicher nicht einfach mit Ja oder Nein zu beantworten. Keiner weiß, wie sich COVID-19 genau verhält, es gibt keinen goldenen Weg für die Bekämpfung, wir lernen täglich neu hinzu. Doch auch mit dem Blick auf andere Länder hätte man schon frühzeitig die Weichen für den Winter stellen müsse, denn dass es im Winter wieder vermehrt zu Infektionen kommt, sollte den Verantwortlichen klar gewesen sein, hier verhält sich COVID-19 nicht anders als die übliche Grippewelle. Doch wirklich vorbereitet ist man nicht in diesen Corona-Winter gegangen.

Fangen wir bei den Schulen an

Da setzte man für das neue Schuljahr von Anfang an vor allem auf das richtige Lüften, die Kanzlerin gibt Ratschläge, wie man sich im kalten Klassenzimmer richtig warmhält. Das erinnert dann eher an den Schulunterricht nach dem zweiten Weltkrieg, als die Kinder selbst die Kohle mitbringen mussten, als an Unterricht im 21. Jahrhundert.

Auch wenn im August/September dazu keine Notwendigkeit bestand, warum hat man nicht von Anfang an auf Wechselunterricht gesetzt? Zum Schuljahresanfang ist es deutlich leichter, die Stundenpläne so anzupassen, dass nur die Hälfte der Klassen im Schulhaus ist, während die andere Hälfte von zu Hause unterrichtet wird. Und ich meine hier explizit unterrichtet und nicht nur zu Hause lernt. Man hätte es so einrichten können, dass auch nur die Hälfte des Lehrpersonals pro Tag anwesend ist. Angehörige der Risikogruppe – die es unter Lehrern vermutlich zur Genüge gibt – hätten dann komplett auf das Home-Schooling umsteigen können. Auch hätte man die Digitalisierung endlich soweit vorantreiben müssen, dass jeder Schüler ein Tablet/Laptop bekommt. In den Klassenzimmern hätte man zudem Luftreiniger installieren können, damit die Kinder eben nicht frieren müssen. Zumindest für die älteren Schüler ist dieser Wechselunterricht für das Winterhalbjahr zumutbar, dort wären auch die Eltern nicht mehr gezwungen, ständig zu Hause zu sein, wenn das Kind auch zu Hause ist.

Das Ganze wäre ein zu großer Aufwand gewesen? Sicher ist die Erarbeitung der Stundenpläne bei einem zweigleisigen System mit bedeutendem Aufwand verbunden. Aber wie hoch ist dieser Aufwand verglichen damit, dass mitten im Schuljahr wieder auf Fernunterricht umgestellt werden muss? Wie ist dieser Aufwand gegenüber dem pädagogischen Nutzen zu bewerten? Denn was wir aktuell erleben ist eine Schließung der Schulen. Diese sollen als erstes wieder aufgemacht werden – und wenn die Zahlen wieder steigen werden sie dann wieder geschlossen. Ein ständiges Hin und Her, dass den Lernprozess nicht wirklich fördert.

Das Ganze wäre zu teuer gewesen? Erstens wäre eine Digitalisierung der Schule auch eine Investition in die Zukunft. Aber vielmehr noch: Wie hoch wären die Kosten im Vergleich zu den Milliarden, die an Entschädigung an die Gastronomie bezahlt werden, verglichen mit den Einbußen im nun geschlossenen Einzelhandel? Bei diesen Summen wäre bei 8,33 Millionen Schülern in Deutschland sogar für jeden ein Apple iPad im Wert von ca. 1.000 Euro günstiger.

Aber sind die Schüler wirklich ein großes Problem bei der Verbreitung des Corona-Virus? Die Antwort darauf muss wohl am ehesten lauten: Wir wissen es nicht. Aber mit dem Wechselsystem wäre nicht nur den Schülern direkt geholfen, auch der Schülertransport würde sich vereinfachen – man denke nur an die Diskussionen im Coburger Stadtrat zu den „überfüllten“ Bussen – und damit würde auch die Situation für Berufspendler, die ja auch irgendwie zur Arbeit kommen müssen, verbessert. Somit wäre dieser Weg auf jeden Fall besser gewesen, als einfach ins neue Schuljahr nach dem Motto „Augen zu und durch“ zu starten.

Aber die Politik scheint in der ganzen Krise nur zu reagieren und nicht zu agieren. Wenn ein Herr Söder als großer Macher oder Entscheider hingestellt wird, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass er nur auf den Status Quo reagiert. Langfristige Planungen sind mir vom ihm bisher nicht bekannt.

Können wir langfristig planen?

Hier stellt sich natürlich die Frage, ob in der aktuellen Situation überhaupt langfristige Planungen möglich sind. Sicher ist, wir kennen den weiteren Verlauf – Lockdown hin oder her – nicht. Es kann wohl niemand in Deutschland ein Datum angeben, wann das von der Regierung anvisierte Ziel von weniger als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in sieben Tagen erreicht ist. Aber es geht hier gar nicht um das genaue Datum. Es wäre für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes auch schön und würde das Verständnis für die Maßnahmen ungemein fördern, wenn man wüsste, wie es denn nach dem Lockdown weitergehen soll. Die Schulen sollen als erstes dran sein. Aber was ist mit dem Einzelhandel, den Friseuren, Kultur und Sport, der Gastronomie?

Gerade den Einzelhändlern und den Friseuren fehlt wohl das Verständnis, wenn sich der Gesundheitsminister im September noch hinstellt und sagt, man würde mit dem heutigen Wissen diese Geschäfte nicht mehr wie im Frühjahr schließen und doch ist es so weit gekommen. Welchen Erkenntnisgewinn Herr Spahn von September bis heute hatte, welche Rolle er überhaupt bei der Entscheidung dieses Lockdown gespielt hat, diese Fragen bleiben zunächst unbeantwortet.

Viel schlimmer aber noch, wird den Betroffenen keine Perspektive gegeben, wie es nach dem 10. Januar weitergehen soll. Das dieses Datum wohl nicht das Ende des Lockdowns sein dürfte kann man nach den Erfahrungen der letzten Monate wohl sicher sagen. Ob dann zum Beispiel Schulen wieder geöffnet werden, bleibt abzuwarten. Aber es gibt hier auch keine „Prioritätenliste“, wann welche Maßnahme zurückgefahren wird. Was passiert denn zum Beispiel bei den anvisierten 50 Neuinfektionen pro Woche? Es werden dann sicher trotzdem noch Maßnahmen – Maskenpflicht, Abstandsgebot etc.  – notwendig sein. Aber dürfen dann wieder alle Läden öffnen? Die Gastronomie, die Hotels? Wie sieht es mit dem Skiurlaub aus – fällt er komplett aus oder gibt es eine Obergrenze der Neuinfektionen unterhalb derer er möglich wird? Fragen, die sich die Menschen im Land stellen, Fragen, die von den Regierenden nicht beantwortet werden.

Wie können wir die Risikogruppen schützen

Das Coronavirus ist leider nicht fair, es unterscheidet tatsächlich nach dem Alter. Natürlich gibt es auch junge Menschen, die sich infizieren und schwer erkranken oder gar sterben. Aber es gibt auch Kinder, die an Krebs einem Schlaganfall oder ähnlichem sterben, auch wenn das Risiko für diese Krankheiten im Alter zunimmt. Generell gilt es also, vor allem für die älteren Menschen das Risiko einer Ansteckung zu minimieren, denn nicht die Schulen waren in der Vergangenheit Hotspots – auch wenn sich hier sicher Übertragungswege finden lassen -, sondern vor allem die Seniorenheime.

Nun ist es keine Lösung, diese Einrichtung einfach zu schließen, bis die Pandemie vorüber ist. Man kann die Leute nicht einfach wie im Gefängnis einsperren. Und selbst dann besteht noch die Möglichkeit, dass durch das Personal, das ja zwangsläufig mit anderen Menschen in der Außenwelt in Kontakt kommt, das Virus eingeschleppt wird.

Man kann aber zum Beispiel mit der Benutzung von FFP2-Masken, Schnelltest für die Besucher und regelmäßigen PCR-Tests viel erreichen. Die Masken werden jetzt – aber auch wieder in einer Hauruckaktion – an die älteren Menschen verteilt. Schnelltests für die Besucher von Altenheimen (aber auch bei allen anderen Massenunterkünften wie Asylbewerberheimen und Gefängnissen wäre dies eine sinnvolle Vorgehensweise) sind aktuell zwar vorgeschlagen, die Umsetzung erscheint aber mehr als lückenhaft. In Bayern konnte Markus Söder kostenlose Tests für alle verkünden, Tests nach der Rückkehr aus dem Sommerurlaub waren kein Problem, aber für die alten Menschen und damit den am meisten Betroffenen reichen die Kapazitäten nicht aus, ist der Aufwand zu groß? Wenn jeder vor Eintritt in eine Einrichtung – egal ob Besucher oder Personal – einen Schnelltests absolvieren muss, dass Personal und die Bewohner zudem regelmäßig PCR-Tests machen würden, wäre das Risiko eines großen Ausbruches um ein Vielfaches geringer. Damit würde sich das Infektionsgeschehen auch viel besser nachvollziehen lassen.

Wer infiziert sich eigentlich?

Denn was der Lockdown – ob light oder hard – zeigt: Man weiß nicht, wo sich die Menschen anstecken – immer noch nicht! Man weiß auch nicht genau, wer sich denn ansteckt: Sind es Familien, in denen sich nach und nach das Virus ausbreitet, der Alleinstehende im Bus zur Arbeit? Hier wäre es dringend nötig, mehr Kraft in die Erforschung der Ausbreitung zu stecken, denn auch wenn die Impfungen möglicherweise schon in diesem Jahr begleiten, wir uns das Coronavirus noch lange begleiten, wohl nie vollständig verschwinden.

Vor allem könnte man mit dem Wissen um die Hauptausbreitungswege nicht nur den Lockdown gezielter gestalten oder gar aufheben, auch die Gesundheitsämter könnten bei der Kontaktverfolgung gezielter vorgehen.

Die Gesundheitsämter kommen nicht mehr hinterher

Damit wäre auch die Belastung der Gesundheitsämter geringer, auch wenn es viele Infizierte geben würde, da man sich dann auf einen Bereich der Kontaktpersonen beschränken bzw. diesen priorisieren könnte.

Die Gesundheitsämter wurden in den letzten Jahren personell zurückgefahren, was sich nun rächt. Kommen sie mit der Kontaktverfolgung nicht hinterher, leiten auch weitere Aufgaben, wie zum Beispiel die Kontrolle der Quarantäne. Wären diese Aufgaben in den letzten Wochen hundertprozentig durchgeführt worden, wären wir vermutlich nicht in der aktuellen Situation.

Denn leider verzeiht das Virus keine Fehler oder Schlamperei. Hier geht es aber nicht darum, einen Schuldigen zu finden, sondern Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Schuld sind immer die anderen

Denn Schuldzuweisungen bringen in der aktuellen Situation recht wenig. Geradezu verheerend ist es, wenn, wie zuletzt immer wieder geschehen, die Schuld auf die Bürger geschoben wird.

Seien es nun die „Unvernünftigen“ – wie viele soll es davon eigentlich geben, damit man sich damit die aktuellen Zahlen erklären kann? – oder eben die normalen Bürger, die einfach ihre Weihnachtseinkäufe erledigen und damit die Innenstädte, Busse und Läden füllen. Dabei ist noch nicht einmal gesagt, dass es in diesen Situationen vermehrt zu Infektionen kommt. Aber man weiß es nicht genau und es scheint bei den Entscheidern auch herzlich wenig zu interessieren. Denn Hauptsache man konnte „schnell handeln“ und steht als entscheidungsfreudig, besonnen da. Differenzieren muss man in einer solchen Situation offenbar nicht, denn das würde Nachforschung bedeuten.

Der Blick über den Tellerrand

Gerne wird die Situation in Deutschland mit anderen europäischen Ländern wie Italien oder Spanien oder auch mit den USA verglichen, um dann zu sagen, wir hätten es doch besser gemacht. Erstens ist dies aktuell nicht mehr wirklich klar, andererseits sollte man vielleicht auch weiter schauen. Vor allem die asiatischen Länder haben sich in der Pandemiebekämpfung hervorgetan, wenngleich auch dort die Zahlen im Winter ansteigen.

Liegt es an der anderen Kultur? Liegt es an der Erfahrung mit anderen Pandemien? Herrscht dort eine andere Einstellung zum Staat? Welchen Anteil hat die Digitalisierung? Das alles sollte man sich anschauen und wenn möglich kopieren, damit Deutschland wieder nach vorne blicken kann.

Corona-App als stumpfes Schwert

Denn gerade bei der Digitalisierung kann Deutschland noch einiges lernen. Die Corona-App, im Frühjahr und Sommer noch hochgelobt, hat sich mittlerweile als stumpfes Schwert erwiesen.

Es ist erfreulich, wenn die App vor allem höchsten Datenschutzanforderungen genügt. Weniger erfreulich ist es aber, dass dem Datenschutz wohl die Wirksamkeit untergeordnet wurde. Gerade mir als Liberalen liegt der Datenschutz sehr am Herzen, aber ist ein Einschnitt dort nicht gerechtfertigt, im Gegensatz zu den massiven Einschnitten in andere Freiheitsrechte? Wie viele Leute, die jetzt die App ablehnen, weil sie Datenschutzbedenken haben – die zumeist nicht berechtigt sind – sind täglich bei Facebook, Instagram, Twitter oder WhatsApp aktiv?

Auch hier muss dringend nachgebessert werden, aus meiner Erfahrung heraus muss mehr Aufklärung betrieben werden, welche Daten wirklich ausgetauscht werden, es muss auch sichergestellt sein, dass positive Testergebnisse am besten automatisch und damit zeitnah an die Kontaktpersonen übermittelt werden. Wenn schon einzelne Gesundheitsämter Kontaktpersonen erst nach Ablauf der Quarantänefrist benachrichtigen können, sollte wenigstens hier die App ihre Vorteile haben.

Wie weiter?

Wie es nach dem Lockdown weitergeht, weiß aktuell niemand. Dabei wäre gerade jetzt die Zeit, über eine langfristige Lösung – am besten bis Ende nächsten Jahres, wenn hoffentlich die Impfungen eine Herdenimmunität erzeugt haben – nachzudenken. Dann könnte man auch in die politische Diskussion gehen, die Parlamentarier beteiligen. Wenn sich ein Minister darüber beschwert, dass man in Deutschland alle Maßnahmen erst diskutieren muss, hat er aus meiner Sicht wohl die Demokratie nicht richtig verstanden. Das Diskussionen Zeit brauchen ist sicher richtig. Das manche Entscheidungen nicht so lange warten können, mag in dieser Situation auch ab und an zutreffen. Aber nun haben wir mindestens drei Wochen Zeit. Das sollte zumindest ein Anfang sein. Nutzen wir diese Zeit sinnvoll und hoffen auf das Beste.