Eine gute Gesundheitsversorgung kann es nur mit einer guten Personalausstattung geben. Wir fordern daher verbindliche Vorgaben für eine bedarfsgerechte Personalausstattung in den Krankenhäusern. Gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat hat ver.di als einen ersten Schritt ein Personalbemessungssystem für den Bereich der Pflege entwickelt (PPR 2.0) und dem Bundesgesundheitsministerium vorgelegt. Dieses System soll weiterentwickelt und auf die weiteren Berufsgruppen ausgedehnt werden Punkt wie bewerten Sie unseren Lösungsansatz?
Im Bereich der Gesundheitsversorgung Bedarf es sicherlich einer neuen Personalpolitik. Dabei müssen einerseits die Belastung der Pflegerinnen und Pfleger, aber andererseits auch das Patientenwohl im Mittelpunkt stehen. Das PPR 2.0 ist sicher ein erster Ansatz, hier Entlastung zu bringen. Aber man sollte bei der Berechnung nicht nur auf den Personalschlüssel schauen, sondern auch, wo der Arbeitsalltag erleichtert werden kann. Neben der Patientenversorgung steht hier auch die Dokumentation an, Lösungsansätze sollten hier auch einen Bürokratieabbau mit einbeziehen, da dies letztlich dem Patientenwohl zugutekommt, aber auch Pflegerinnen und Pfleger entlastet.
Eine bedarfsgerechte Personalausstattung Bedarf es auch in psychiatrischen Kliniken und Fachabteilungen. Bestehende Regelungen werden nur bei einer Erfüllung von unter 90% sanktioniert, obwohl hierdurch nur Mindeststandards festgelegt werden. Gerade für psychiatrischen Einrichtungen ist mit dem Abebben der akuten Corona-Lrise mit einer erheblich erhöhten Anzahl an Behandlungen zu rechnen Punkt der Personalbedarf muss aus unserer Sicht verbindlich umgesetzt und ausfinanziert werden Punkt wie bewerten sie unseren Lösungsansatz?
Sicher wird es mehr Post-Corona-Patienten geben und hier sind gerade auch die psychiatrischen Kliniken gefragt. Neben der Frage der Finanzierung stellt sich aus meiner Sicht vor allem das Problem, ob es überhaupt genügend freies Personal gibt. Denn für eine Änderung im Bereich der Ausbildungszahlen ist die Zeit zu kurz. Auch hier könnte wie in der ersten Antwort bereits erwähnt, vor allem die Entlastung des Personals im Bereich der Bürokratie ein kurzfristiger Ansatz sein.
Krankenhäuser sind strukturell unterfinanziert. Laut Bertelsmann Stiftung sollte jedes zweite Krankenhaus schließen. Aus unserer Sicht darf es keine Kinikschließung aus ökonomischen Gründen geben. Die Gesundheitsversorgung darf nicht dem Markt überlassen werden Punkt teilen sie diese Ansicht, warum beziehungsweise warum nicht?
Gesundheitsversorgung ist Daseinsvorsorge und hat daher einen speziellen Stellenwert auf der wirtschaftlichen Seite. Zuallererst sollte die Versorgung der Patientinnen und Patienten sichergestellt sein. Im Hinblick auf den demographischen Wandel muss dies wohnortnah geschehen. Daher ist neben den ökonomischen Gesichtspunkten stets der Faktor Mensch mit zu berücksichtigen. Allerdings muss sich auch das Gesundheitssystem in einem gewissen Maße den Marktregeln unterwerfen, die Offenhaltung von höchst defizitären Einrichtungen kann nicht die Lösung sein.
Pauschalisierter Finanzierungssysteme (DRG und PEPP) setzen Fehlanreize, die öffentlich vielfach diskutiert werden Punkt wir treten stattdessen für eine am patientenbedarf orientierte Finanzierung ein Punkt wollen sie an der Finanzierung der Krankenhäuser etwas verändern? Wenn ja: was? wenn nein, warum nicht?
Eine Abrechnung nach dem tatsächlichen Patientenbedarf wäre natürlich wünschenswert, da damit auch der Faktor Mensch einen höheren Stellenwert erhalten würde. Allerdings stellt sich hierbei für mich die Frage, wie man diesen sehr weichen Faktor zu fassen bekommt, da eine Fallpauschale naturgemäß einfacher zu bestimmen ist.
Welche Rolle kommt für Sie den Ländern bei der Finanzierung und der Planung der Krankenhäuser zu? Sollte sich daran etwas verändern?
Die aktuelle Regelung der Finanzierung durch Länder, Kommunen und Krankenkassen hat sich seit nunmehr fast 50 Jahren durchaus bewährt, so dass ich keine Notwendigkeit in großen Veränderung in diesem Bereich sehe.
In vielen Kliniken wurden Töchter- bzw. Servicegesellschaften gegründet, um Absenkungen der Arbeits- und Einkommensbedingungen vornehmen zu können. Punkt gerade unter Corona Bedingungen wurde deutlich Komma, dass die Arbeit in Krankenhäusern Teamarbeit ist. Was halten Sie von den Werk- und Dienstverträgen zwischen Kliniken und Servicegesellschaften? Streben Sie hier Veränderungen an?
Eine unnötig komplexe Gesellschaftsstruktur ist zu vermeiden, da hier auch Stellen bezahlt werden müssen, die reine Verwaltungsaufgaben übernehmen und nicht der eigentlichen Gesundheitsversorgung dienen. Hier halte ich eine schlanke Struktur für wesentlich besser. Was die Arbeits- und Einkommensbedingungen angeht, so muss gerade im Bereich der Pflege nicht nur auf die monatlichen Gehälter, sondern viel mehr auf die Rente geachtet werden. Hier gilt es in Zukunft, neue Wege zu denken, da bei dieser körperlich anstrengenden Arbeit nicht davon auszugehen ist, dass bis 67 oder darüber hinaus ohne bleibende körperliche Schäden gearbeitet werden kann. Vielmehr muss hier von Vornherein ein lebenslanger Lernprozess das Berufsleben begleiten mit der Möglichkeit, bei sinkender körperlicher Leistungsfähigkeit (d.h. schon bei dem Gefühl von Unwohlsein bei körperlich anstrengender Arbeit und nicht erst beim auftreten von dann vielleicht dauerhaften gesundheitlichen Schäden) auch den Beruf dahingehend zu verändern, dass nur noch leichte körperliche Arbeit notwendig ist.
Was bedeutet für Sie „bessere Qualität in der Pflege“? Wie wollen Sie diese erreichen?
Bessere Qualität der Pflege hat zwei Gesichter: Das Patientenwohl auf der einen Seite, also die Tatsache, dass es sich nicht um eine maschinelle Arbeit handelt, sondern auch Einfühlungsvermögen etc. notwendig ist und diese Arbeit sich nicht präzise in Zeit- und Kostenpauschalen abbilden lässt. Andererseits muss auch an das Wohl der Pflegekräfte gedacht werden, da der Job nicht als Belastung angesehen werden darf – dies kommt dann auch wieder dem Patientenwohl zu Gute.
Wir sind für eine bundesweit erstreckt baren Tarifvertrag eingetreten? Komma der Mindestarbeitsbedingungen Regelpunkt dieses Vorhaben ist am Veto der Caritas, von der Diakonie stillschweigend gestützt, (zunächst) gescheitert. Brauchen wir Ihrer Meinung nach bessere Arbeits -und Einkommensbedingungen in der Altenpflege? Wenn ja, wie wollen Sie diese umsetzen helfen?
Auch im Bereich der Altenpflege denke ich zunächst vor allem an die Lebensleistung der Pflegerinnen und Pfleger und darf daher auf meine Antwort zu Frage 6 verweisen, im Hinblick vor allem auf die Rente und die Flexibilisierung des Berufslebens.
Jüngst wurde von der Bundesregierung eine Roadmap für eine bundeseinheitliche Personalbemessung für die Altenpflege beschlossen. Doch konkret beschlossen wurde zunächst nur ein erster Schritt zur Schaffung von 20.000 Stellen für Pflegehilfskräfte ab dem 1. Januar 2021. Wie müssten weitere Schritte Ihrer Meinung nach aussehen?
Neben den akuten Stellen muss auch die Ausbildung und das Berufsleben selbst in den Mittelpunkt rücken, wie ich es schon in meinen vorherigen Antworten versucht habe, zu beschreiben.
Wir treten hinsichtlich der Kranken- und Pflegeversicherung für einen Ausbau zu einer Bürgerversicherung ein, in die alle mit allen Einkommensarten einzahlen. Wie bewerten Sie unsere Forderungen?
Das duale Versicherungssystem in Deutschland sollte meiner Meinung nach beibehalten werden.
Unter dem Begriff „Solidarische Pflegegarantie“ fordern wir den Ausbau der Pflegeversicherung, die, anders als die Krankenversicherung, nur für einen Teil der Kosten aufkommt, zu einer Versicherung, welche sämtliche Pflegekosten (ohne Unterkunft, Verpflegung und Investitionen) abdeckt. Wie bewerten Sie unsere Forderungen?
Die von Ihnen genannte Form des Ausbaus der Pflegeversicherung stellt für mich vor allem eine große Frage hinsichtlich der Finanzierbarkeit dar. Wir haben in Deutschland schon heute mit die höchsten Sozialabgaben, die ein großes Hindernis für unseren Wirtschaftsstandort und damit auch ein Hindernis im Hinblick auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen darstellen. Daher ist es für mich ohne grundlegende Reformen im Bereich der Pflege(versicherung) nicht vorstellbar, dies umzusetzen.
Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft der pflegerischen Versorgung und Gesundheitsversorgung aus? Insbesondere mit Blick auf den ländlichen Raum?
Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels muss vor allem die wohnortnahe Versorgung im Blick behalten werden. Gerade auch im Zusammenhang mit der angestrebten Verkehrswende muss sichergesellt werden, dass auch ältere Menschen schnell zu medizinischen Einrichtungen kommen können und auch die Pflegeeinrichtungen nicht zu einer Isolierung z.B. von Ehepartnern führt.
„Ambulant vor stationär“ ist eine vielfach vertretene Devise. Teilen Sie diese? Beides bedürfte eines erheblichen Ausbaus der Infrastruktur. Was sind Ihre Vorstellungen?
Da ambulante Behandlungen in der Regel kostengünstiger durchgeführt werden können als stationäre sollte diese Divise beibehalten werden. Dies um so mehr, als die Kosten im Bereich der Gesundheitsversorgung bei einer tendenziell älter werdenden Gesellschaft in Zukunft noch höher ausfallen werden und die Kosten bzw. vor allem die Krankenversicherungsbeiträge nicht davonlaufen sollten.
Wie wollen sie die Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen attraktiver machen?
Schon bei der Ausbildung muss klar werden, dass sich die eigentliche Tätigkeit im Laufe des Berufslebens ändern wird. Man muss eine sowohl der körperlichen Leistungsfähigkeit angemessene, aber auch von der Vergütung lohnende Berufslaufbahn in Aussicht stellen. Gerade der Ausblick auf körperliche Schäden im Alter und einen vielfach nicht erreichbaren Renteneintritt mit 67 lässt wohl viele Menschen vor der Ergreifung dieses Berufsweges zurückschrecken.
Bundesweit fallen für viele Gesundheitsfachberufe individuell zu tragen der Ausbildungskosten an. Vielfach gibt es auch keine Ausbildungsvergütung. Sehen Sie hierin Hemmnisse für die Entwicklung des Gesundheitswesens? Wollen Sie diese angehen?
Die Ausbildungskosten sollten für eine erste Ausbildung möglichst gering ausfallen bzw. komplett vom Staat getragen werden, um hier eine Vergleichbarkeit mit anderen Ausbildungsberufen zu gewährleisten.
Welche wichtigen Lehren sind Ihrer Meinung nach aus der Pandemie zu ziehen?
Die Pandemie hat vor allem Defizite in der Gesundheitsversorgung aufgezeigt, die vorher vielleicht nur den betroffenen Personen selbst bekannt waren. Wir brauchen eine Änderung der Einstellung zu unserer Gesundheitsversorgung genauso wie bessere Arbeitsbedingungen für Pflegerinnen und Pfleger.