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Sehr geehrter Herr Lindner,

wohl kaum ein anderes Thema wurde und wird so heftig diskutiert wie der Umgang der Politik mit der Corona-Krise. Und auch wenn die Zahlen in Deutschland erfreulich niedrig sind, dass Leben wieder größtenteils seinen Lauf nimmt, bleiben doch noch Einschränkungen, bleibt vor allem die Frage: Wie geht es in zwei, drei Monaten und danach weiter?

Keine Frage: COVID-19 ist eine schwerwiegende Krankheit, die auf eine vollkommen wehrlose Menschheit losgelassen wurde und sich dadurch rasch ausbreiten konnte. Auch sind die Sterblichkeit und die Langzeitfolgen gravierender als zum Beispiel bei der Grippe. Das hierauf auch eine politische Antwort erfolgen musste, ist sicher richtig. Dass es hier zu einer Abwägung von Freiheitseinschränkungen gegenüber der Gesundheit der Bevölkerung kommen musste, streitet sicher niemand in unserer Partei ab. Ob diese Abwägung immer verhältnismäßig war, ist in einigen Punkten sicher kritisch zu hinterfragen, eine Aufarbeitung der ganzen Vorgänge muss erfolgen, kann wohl aber erst nach der Bewältigung dieser Krise wirklich sinnvoll sein.

Was die Bevölkerung, was die Wirtschaft und auch uns Freie Demokraten umtreibt: Welche Maßnahmen werden noch ergriffen, wann ist der Punkt erreicht, an dem wieder das normale Leben ohne jegliche Einschränkung möglich ist?

Sicher ist es nicht möglich, ein konkretes Datum zu nennen, an dem alle Einschränkungen aufgehoben werden und sicher ist es auch nicht richtig, diese Einschränkungen gleich morgen aufzuheben, wie einige politische Akteure dies fordern. Dennoch ist es an der Zeit, das Fahren auf Sicht endlich abzustellen, konkrete Pläne für ein Ausstiegs-Szenario vorzubereiten. Gerne auch mit Sicherheitsnetz, aber eben verlässlich und transparent für die Bürger.

Aus meiner Sicht ist dies vor allem dadurch geboten, da die Impfkampagne nach anfänglichen Schwierigkeiten gut läuft, über die Hälfte der Bevölkerung in den nächsten Wochen vollständig geimpft sein sollte. Und auch wenn die Delta-Variante jetzt als Horrorszenario für den Winter an die Wand gemalt wird, so zeigt doch der Blick in andere Länder, allen voran Israel, dass die Brandmauer, die wir durch die Impfung gegen das Virus aufgebaut haben, wohl halten wird. Es wäre also an der Zeit, ein realistisches Ziel für die Impfkampagne auszugeben. Wenn Frau Merkel hier 80% angibt, so scheint mir dies – zumindest wenn man die Kinder einschließt, bei denen noch keine Impfempfehlung in Sicht ist – zu hoch gegriffen. Vor allem steht zwar dieses Ziel, es ist aber mit keiner konkreten Handlung wie die vollständig Widerherstellung der Freiheitsrechte verbunden.

Doch gerade diese Aussicht, dass wieder alles normal wird, könnte ein entscheidender Ansporn für einige skeptische Mitbürgerinnen und Mitbürger sein, sich eben doch noch impfen zu lassen und sei es nur, weil das Tragen einer Maske auf der Arbeit, im Bus oder beim Einkaufen als störend empfunden wird.

Gleichzeitig bedarf es aber auch einer Diskussion, was passiert, wenn die Impfbereitschaft eben nicht mehr ansteigt, sondern auf einem Punkt beharrt, bei dem man davon ausgehen kann, dass es wieder zu vermehrter Ausbreitung des Virus kommt. Sollen wir dann dauerhaft in diesem Zustand verharren? Schließlich sind sich die Wissenschaftler einig, dass das Virus dauerhaft zirkulieren wird und sich so in den Reigen der Saisonalität der Grippe einreihen wird. Und auch wenn die Grippe keine einfache Krankheit ist, wir teilweise tausende von Toten zu beklagen haben, so haben wir bei dieser Krankheit es jedem selbst überlassen, ob er sich dagegen impfen lässt.

Wäre dann an einem Tag X einfach ein Stichtag, an dem jeder selbst entscheiden könnte bzw. an dem die Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit schwerem Verlauf für Nichtgeimpfte wieder ansteigt und sich diese irgendwann infizieren? Würde das Gesundheitssystem dies aushalten? Können wir eventuelle Todesfälle durch diese Entscheidung in Kauf nehmen? Oder wollen wir dann die Ungeimpften dadurch schützen, dass alle Freiheitsrechte nur für Geimpfte gelten?

Gerade die letzte Frage ist es, die mich umtreibt. Denn wann soll dann dieser Tag X sein? Im Herbst, wenn jeder Erwachsene ein Impfangebot bekommen hat? Im nächsten Frühjahr, wenn die Gefahr saisonbedingt wieder sinkt? Aber warum soll ein Geimpfter quasi in Geiselhaft genommen werden durch die, die sich nicht impfen lassen wollen?

Dies alles sind keine einfach zu beantwortenden Fragen, doch müssen wir Antworten darauf finden. Und gerade wir als Freie Demokraten sollten diese Fragen ausgiebig diskutieren, geht es doch um Freiheitsrechte und damit den Markenkern unserer Partei, unseres Weltbildes. Und wir sollten auch hier abwägen, wo Freiheit und Vernunft vernünftige Lösungen aufzeigen. Denn wie Rudolf Virchow sagt: „Freiheit ist nicht die Willkür, beliebig zu handeln, sondern die Fähigkeit, vernünftig zu handeln.“ In diesem Sinne würde ich mir wünschen, dass wir diese Diskussion anführen und in die Öffentlichkeit tragen, damit wir auch das in die Öffentlichkeit tragen, was wir am besten können: Ein optimistisches Zukunftsbild zeigen, wo andere nur dunkle Wolken am Horizont sehen.

Mit freundlichen Grüßen

Jens-Uwe Peter
Bundestagskandidat Wahlkreis 238 Coburg